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Regierungspräsidium lässt neue Wagen der Zahnradbahn zu

Mal gucken? Neuer Zug steht am 22. Juli in Degerloch zur Besichtigung
Foto: Thomas Moser, Technischer Vorstand der SSB (rechts), empfängt aus der Hand von Michael Rosenberger (links) vom Regierungspräsidium Stuttgart die Zulassungsurkunden für die neue Zahnradbahn.  

Jetzt ist es amtlich: Die neuen Triebwagen für die Stuttgarter Zahnradbahn haben ihre Zulassung durch das Regierungspräsidium erhalten. Somit geht die Stuttgarter Straßenbahnen AG (SSB) als Betreiber nun den nächsten Schritt an: Die Ausbildung der Fahrer für das neue Rollmaterial wird anlaufen. Damit wird es auch näher absehbar, dass der reguläre Einsatz beginnt und die Fahrgäste mitfahren können. Doch noch braucht es dazu Geduld. 

Am 21. Juli übergab Michael Rosenberger vom Regierungspräsidium Stuttgart den Abnahmebescheid für die so genannte Typzulassung an Thomas Moser, Technischer Vorstand und Vorstandssprecher der SSB. „Das ist ein ganz wichtiger Schritt Richtung regulärer Einsatz“, so Moser: „Wir hoffen, dass wir im Oktober dann auch mit Fahrgästen fahren können.“ Mit der Typzulassung durch die technische Aufsichtsbehörde hat die SSB die grundsätzliche behördliche Zustimmung für den Einsatz aller drei neuen Triebwagen. Enthalten ist auch die konkrete Genehmigung zur Inbetriebnahme der ersten Zuggarnitur, bestehend aus Triebwagen 1102 und Fahrradwagen 1111. Damit kann jetzt zunächst die Ausbildung der Mitarbeitenden im Fahrdienst starten.

„Ich freue mich sehr, dass die SSB mit diesen schönen Fahrzeugen die Zahnradbahn fit macht für die nächsten Jahrzehnte“, sagte Michael Rosenberger, der beim Regierungspräsidium Stuttgart die Aufsicht über die Straßenbahnbetriebe in Baden-Württemberg ausübt: „Die Stuttgarter ‚Zacke‘ ist ja nicht nur eine Sehenswürdigkeit mit Tradition, sie ist vor allem eine unersetzliche Verbindung im kommunalen Nahverkehr – das gilt auch im Hinblick auf die Verkehrswende.“Auch für die Aufsichtsbehörde bildet die Zulassung von Fahrzeugen für eine Zahnradbahn eine in Deutschland fast einmalige Aufgabe. Daher versicherte sich das Regierungspräsidium in diesem Fall der kollegialen Zuarbeit durch das Schweizerische Bundesamt für Verkehr in Bern, das dort für alle Zahnradbahnen in der Schweiz die Aufsicht übernimmt.  

Die drei neuen Zuggarnituren bestehen jeweils aus einem elektrischen vierachsigen Triebwagen und einem bergseitigen Vorstellwagen für den Fahrradtransport. Die Auslieferung hat im Herbst 2021 begonnen. Bisher befinden sich zwei Triebwagen in Stuttgart, von denen einer derzeit in der Hauptwerkstatt in Stuttgart-Möhringen remisiert ist. Das dritte und letzte Fahrzeug wird aus der Schweiz erwartet. Die neuen Wagen ersetzen die bisherigen Fahrzeuge von 1982, die ihre wirtschaftliche Lebensdauer erreicht haben. Lieferant der neuen Fahrzeugflotte ist der schweizerische Konzern Stadler Rail, der in seinem Werk in Bussnang am Bodensee maßgeschneiderte Spezialfahrzeuge herstellt. Stadler Rail ist weltweiter Marktführer auf dem besonderen Markt für Zahnradbahnen.

Erst kommt die Ausbildung

Und so geht es nun weiter: Ende Juli startet die SSB mit der Ausbildung ihrer Fahrer auf den neuen Fahrzeugen. Rund 30 Kollegen vom Stadtbahnbetriebshof Heslach, die bisher schon auch auf der Zahnradbahn Dienst tun, werden in den nächsten gut anderthalb Monaten nach und nach die Zusatzqualifikation für den S-ZT 4.2 erhalten, so die formale Bezeichnung für den neuen Fahrzeugtyp. Die Einschulung auf dem neuen Muster dauert pro Mitarbeiter drei Tage.

Der weitere neue Wagen 1103, der im Laufe des Sommers eintreffen wird, muss zunächst ebenfalls ein umfangreiches Programm an Testfahrten abspulen wie sein Vorgänger, was mehrere Wochen brauchen wird. Auch die nächtlichen Probefahrten wird es daher zum Teil weiterhin geben, bis schließlich im weiteren Laufe des Jahresalle drei Fahrzeuge ihre amtliche Einzelabnahme erhalten haben. Wenn nach dem Ende der Mitarbeiterschulungen und Testfahrten die ersten beiden neuen Fahrzeuge gemeinsam verfügbar sind, sollen sie in den Fahrgasteinsatz gehen – die SSB strebt dies für die Zeit ab Anfang Oktober an.  

Übergangsphase: SSB bittet um Verständnis

In der Übergangszeit kann es dazu kommen, dass nicht immer alle der bisherigen Fahrzeuge verfügbar sind, sprich dass nur im 30-Minuten-Takt gefahren werden kann. „Diese Phase ergibt für uns eine besondere Herausforderung“, so Thomas Moser: „Wir bitten dafür heute schon unsere Fahrgäste um Verständnis, falls der Betrieb nicht immer planmäßig laufen sollte.“ Die SSB ist jedoch bestrebt, dass zumindest zur Abfahrtsminute 0 und 30 die Zahnradbahn zur Abfahrt an der Talstation bereitsteht und jeweils eine Viertelstunde später ab Degerloch.

Neu für Kunden und SSB-Mitarbeiter sind auch die neuen, nun zwölf Meter langen Fahrradwagen, die nunmehr 20 Fahrrädern und einem Lastenfahrrad Platz bieten. Damit verdoppelt sich die Kapazität für die Fahrradmitnahme. Diese ist weiterhin nur bergwärts Richtung Degerloch möglich und nur zwischen Tal- und Endstation, nicht für Ausstieg unterwegs. Das Lastenrad darf auch mit Aufbauten oder Ladung nicht höher sein als ein normales Fahrrad, damit der Fahrer der Zahnradbahn weiterhin über den Fahrradwagen hinwegblicken kann. Die weiteren Regeln wird die SSB zum Beginn des planmäßigen Einsatzes bekanntgeben. Der Mehrzweckraum im neuen Triebwagen ist Kinderwagen oder einem Rollstuhl vorbehalten. Fahrräder werden weiterhin nur auf dem Fahrradwagen mitgenommen.

Am Freitag, 22. Juli, werden der erste neue Zahnradbahnwagen mitsamt Fahrradwagen von 11 bis 15 Uhr in Degerloch an der Endhaltestelle für Besucherinnen und Besucher zur Besichtigung stehen. Mitarbeitende der SSB zeigen und erklären gerne, was zu sehen ist. Die neuen Fahrzeuge werden auch in einer Broschüre vorgestellt.  

Zahlen und Fakten

Triebwagen
SSB-Typ                                                                                             ZT 4.2
Fahrzeugnummer                                                       1101 - 1103
Hersteller                                                                                           Stadler Rail, Bussnang CH
Baujahr                                                                                              2021
Spurweite                                                                                          1000 mm
Zahl der Achsen                                                                     4
Achsen mit Antrieb                                                   2
Antriebsleistung                                                                     2 x 240 kW Bemessungsleistung
Länge über Kupplung                                    20 100 mm
Zahl der Zähne im Hauptzahnrad      22
Sitzplätze                                                                                          51  (46 feste Sitze, 5 Klappsitze)
Stehplätze (4 Pers./m²)                                              71
Platzkapazität total                                                  ca. 115 Personen
Mehrzweckbereich                                                     1
Rollstuhlfahrerplatz                                                   1 
Kinderwagenplatz                                                     1
Sitzplätze stufenlos erreichbar                      12 – 17
V/max bergwärts/talwärts                             30 km/h bzw. 21 km/h
Gewicht leer                                                                          30 t
Gewicht beladen                                                                    40 t
 

Fahrradwagen
Fahrzeugnummer                                                       1111 - 1113
Hersteller                                                                                           Ferdinand Steck, Bowil CH
Baujahr                                                                                             2021
Spurweite                                                                                          1000 mm
Länge über Kupplung                                               11 997 mm
Gewicht leer                                                                          5,4 t

Strecke Zahnradbahn
Streckenlänge                                                            2,2 km
maximale Neigung                                                    17,8  %
Höhenunterschied                                                      210 m
Stationen                                                                                           8
Eröffnung Strecke                                                     1884
Ausweiche                                                                              Wielandshöhe
Betriebshof                                                                            Filderstraße
Weichen                                                                                             3 (+ 1 Schiebebühne)
Zahnstangensystem                                                   von Roll (Riggenbach/Strub)
Zahnteilung                                                                            100 mm
Spezialität                                                                              versenkte Zahnstange (bündig mit Schienenoberkante/
                                                                                                                      Straßenoberfläche)

Betriebsart                                                                             Straßenbahn besonderer Bauart
                                                                                                                      (nach Personenbeförderungsgesetz)
Fahrgastzahl                                                                          ca. 2500 – 3000 Fahrgäste pro Tag

 

Chronik
1884                                                   Emil Kessler junior baut und eröffnet Zahnradbahn 
1885                                                   Filderbahngesellschaft wird Betreiber
1902                                                   Einführung elektrischer Betrieb
1920                                                   Übergang von Filderbahn auf SSB als Betreiber
1936                                                   Bau des Streckenastes zum Marienplatz
1981                                                   Ablösung letzter Fahrzeuge aus dem 19. Jahrhundert
1994                                                   Verlängerung der Strecke um 200 m (Degerloch)
2022                                                   Fünfte Generation an Fahrzeugen wird eingeführt